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R.I.P. Thomas Oppermann

Sonntag, 29. Juli 2001 spätabends. Ich komme aus Nienburg und steige in Hannover in den RE nach Göttingen um. Der Zug ist rappelvoll. Ein bunter Haufen: St.-Pauli-Fans auf dem Rückweg vom Heimspiel gegen Hertha (0:0), queere Leute, die von der Loveparade kommen, dazwischen ein paar Nazis aus der Blase von Thorsten Heise. Ich muß aufs Klo. Auf dem Weg kommen mir laut grölend drei Nazis entgegen, die Rechte zum Hitlergruß erhoben, die dazu auffordern, zurückzugrüßen. Ich beschließe, sie vollständig zu ignorieren, und gehe durch sie hindurch, als seien sie nicht vorhanden. Das gelingt nicht ganz. Ich touchiere einen von ihnen mit meiner rechten Schulter. Das Milchgesicht jammert, ich habe ihm zwei Zähne ausgeschlagen. Er blutet aber noch nicht einmal. Sie machen kehrt und laufen hinter mir her. Drei ihrer Kameraden schließen sich der Jagd an. Im Fahrradwagen geht es nicht mehr weiter. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Die Nazis bauen sich mir gegenüber und drohen, mich aus dem fahrenden Zug zu werfen. Ein kleiner Mann in einer schwarzen Jacke, die ein wenig an eine Uniform erinnert, wie sie von Sicherheitskräften getragen wird, steht auf und stellt sich zwischen mich und die Nazihorde; wie sich später herausstellt, der damalige niedersächsische Wissenschaftsminister Thomas Oppermann, der mit seiner Frau eine Fahrradtour unternommen hat. Die Nazis wirken jetzt eingeschüchtert und wagen keine Widerworte gegen ihn. Als auch die Schaffnerin dazukommt, trollen sie sich. Weil er dem Frieden nicht traut, benachrichtigt der Minister den in Göttingen hinter dem Bahnhof stationierten Bundesgrenzschutz, der dann auch mit einer ziemlich großen Truppe den Bahnsteig besetzt. Das ist aber eigentlich nicht mehr notwendig, weil die sechs Nazis in Northeim ausgestiegen sind und sich auch keiner ihrer Kameraden mehr zeigt. Heute morgen erfahre ich in den Nachrichten, daß Thomas Oppermann gestern im Alter von 66 Jahren gestorben ist. R.I.P.

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