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Hamburger Gitter

Irmi ‏@never_everS21 aus Stuttgart fragt:
Seit wann gibt es die "Hamburger Gitter" und wer hat sie erfunden?
WikipeteR antwortet: Am 1. November 1951 zeterte Die ZEIT:
"In Taxis und Polizeiautos wurden Reservearbeiter in Hamburgs Hafen gefahren. Vor dem Bremer Rathaus kam es zu Demonstrationen, bei denen es Verletzungen und Verhaftungen hagelte. Und auf den Kaianlagen von New York stapelten sich für Millionen Dollar Importgüter und tausende von Postsäcken. Telegramme flogen über den Atlantik. Schiffe wurden umdirigiert, Streiks sind aufgeflammt in den Häfen des Westens, dem Sammelbecken der Internationale. Wilde Streiks! Politische Streiks!"
In Deutschland hatte sich die ÖTV dem Schlichterspruch unterworfen, der eine Erhöhung des Stundenlohns um 9 Pfennig vorsah - 23 Pfennig waren ursprünglich gefordert -, in den USA hatte die ILA nach einer Forderung von 25 Cent einer Lohnerhöhung um 10 Cent zugestimmt, in beiden Fällen waren die Arbeiter nach "unglücklichen Undurchsichtigkeiten" (ZEIT) bei den Urabstimmungen gegen die Gewerkschaftsführung aufgebracht. Deshalb streikten schließlich in New York, Boston, Baltimore und Philadelphia 30.000 Hafenarbeiter, 6.000 in Hamburg und 2.000 in Bremen. Die ZEIT hatte mit Stalin auch gleich den wahren Schuldigen für diese Streiks parat:
"Die Streiks wurden fortgesetzt. Sie kosteten Amerika täglich 25 Millionen Dollar und der Bundesrepublik täglich eine Million DM. Wem kommt dieser Schaden zugute? Stalin! Und es ist kein Zweifel, daß zumindest die deutschen Streiks ferngelenkte Aktionen der Kommunisten sind."
Die koreanischen Waffenstillstandsverhandlungen in Panmunyon blieben im November noch ergebnislos, der Koreakrieg ging weiter, der Streik an der amerikanischen Ostküste führte aber zum "völligen Stillstand des Transportes aller kriegswichtigen Güter". Präsident Truman forderte deshalb die Hafenarbeiter auf, "mit Rücksicht auf die Landesverteidigung" sofort die Arbeit wiederaufzunehmen, und brachte Verhandlungen zwischen der Gewerkschaftsführung und den Streikkommitees in Gang. In Bremen begab sich Bürgermeister Kaysen persönlich in die Höhle des Löwen. Gegen das Versprechen, zwei ausgefallenen Schichten nachzuzahlen und außerdem Kartoffelgelder in Höhe von 30 DM für Familienväter und 20 DM für Ledige auszuwerfen, wurde dort der Streik schon nach vier Tagen abgebrochen. In Hamburg erklärte Senatsdirektor Lüth: "Wir müssen ein Exempel statuieren, auch wenn es uns etwas kostet." Die Hamburger Hafenarbeiter gaben dann auch nach 18 Tagen auf, ohne ihr Streikziel erreicht zu haben. Nachdem ein Untersuchungsausschuß eingesetzt worden war, der die Mauscheleien (nachzulesen in "Minutes of Commissioner Edward Corsi's Fact-Finding Board, Appointed to Consider the New York Dock Strike, New York (State) Board of Inquiry on Longshore Industry Work Stoppage 1951") beim niedrigen Tarifabschluß aufdecken sollte, kehrten am 9. November auch an der amerikanischen Ostküste die Hafenarbeiter nach 25 Streiktagen an ihre Arbeitsplätze zurück. Während dieses Streiks - die verliefen damals ja auch nicht halb so friedlich wie Demonstrationen heutzutage - sollen die Absperrgitter, um die es in der heutigen Frage geht, zu ihrem Namen Hamburger Gitter gekommen sein, weil sie für die New Yorker Hafenarbeiter so aussahen wie die Grillroste, auf denen die echten Hamburger gebraten wurden. Von New York aus habe sich diese scherzhafte Bezeichnung dann international verbreitet. Erfunden wurden solche Absperrungen allerdings schon vom französischen Fotografen und Luftschiffer Nadar. Als der am 26. September 1864 mit seinem Riesenballon Le Géant Brüssel besuchte, errichtete er mobile Barrieren, um die Menge auf sichere Distanz zu halten, weshalb sie in Belgien auch bis heute nicht Hamburger Gitter, sondern barrières Nadar heißen. Die original "Samia"-Stahlgitter, die mit Haken und Ösen mit den benachbarten Elementen verbunden werden können, wurden in Frankreich gegen die sozialen Unruhen Anfang der 1950er entwickelt, 1951 patentiert und haben sich sehr schnell in Westeuropa und Amerika durchgesetzt. Und wenn wieder einmal Hamburger Gitter (nebst einer bis an die Zähne bewaffneten Hundertschaft) zwischen uns und irgendwelchen Faschisten von irgendwelchen "Freundeskreisen" stehen und sie und irgendeine ihrer "Mahnwachen" vor unserem gerechten Zorn schützen, sollten wir daran denken, daß Hamburger Reiter immer noch humaner sind als etwa stacheldrahtbewehrte Spanische Reiter, an denen wir uns die Eier oder sonst etwas aufreißen könnten. Danke, liebe Polizei, danke.

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