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Fettflecken

H.P. @Peine01 aus Berlin fragt:
"Meine Frage wäre : was wollen uns die Fettflecken in Büchern sagen?"
WikipeteR antwortet: Die schlimmsten Fettflecken in meinem Leben waren die, mit denen damals in der ersten Klasse meine Fibel, "Hans und Lotte", verunstaltet wurde. Peter Zachow, der neben mir saß, hatte seine eigene dauernd vergessen, und wenn er an der Reihe war, zwang mich der alte Marquardt regelmäßig, ihm meine rüberzuschieben, die er dann mit seinen dreckigen Fingern, an denen noch Leberwurst und Margarine vom Pausenbrot klebten, widerlich betatschte. Diese Fettflecken sagten mir gar nichts außer: "Peter Zachow ist doof!" Daß er in Lesen, Schreiben und Rechnen viel schlechtere Noten hatte als ich, in Musik und Sport aber viel bessere, bestätige mich nur in diesem Urteil. Archäologen, Historikern, Soziologen oder der Spurensicherung können Fettflecken in Büchern dagegen alles über die Lebens-, Lese- und Eßgewohnheiten der Verursacher verraten. Welche Bücher werden bei welchen Gelegenheiten gelesen? Haben Butter oder Margarine, Lein-, Maiskeim- oder Olivenöl, Leberwurst oder Blutwurst, Mortadella oder Feldgieker, Thunfisch oder Sardinen die Flecken hinterlassen? Wurde während des Essens gelesen und das Buch in der rechten oder in der linken Hand gehalten oder wurde das Buch achtlos aufgeklappt auf der Butter abgelegt? Hat sich jemand auf der Liegewiese mit seinem eingecremten Hintern darauf gesetzt oder wurde es gar als Unterlage für raffinierte Liebesspiele benutzt? Fragen über Fragen, für deren Beantwortung ein Kriminallabor vielleicht eine ganze Woche, Sherlock Holmes aber nur einen einzigen Blick braucht, nach dem er auch gleich den Täter nennen kann. Auch einem Psychologen können die Fettflecken etwas über das Seelenleben seiner Patienten sagen. Er muß ihnen beim Rorschachtest nur die Fettflecken anstelle der Klecksbilder vorlegen und kann seine Diagnose stellen, je nachdem, ob darin eine Wolke, eine Rose, eine Hirschkuh, ein Wildschwein, Johnny Depp oder Angela Merkel gesehen wird. Wer aber nicht möchte, daß man in den Fettflecken wie in einem offenen Buch liest und alles über seinen Charakter, seinen Lebenswandel und seinen Geisteszustand erfährt, der sollte sie tunlichst aus seinen Büchern wieder entfernen. Ratgeberseiten im Internet verraten, wie man am besten vorgeht. Auf frische Flecken kann man Hausittel mit saugender Funktion, das wären etwa Salz, Natron, Backpulver Babypuder, zerstampfte Tafelkreide, Kartoffelmehl oder Speisestärke, streuen, das Pulver leicht andrücken, ein paar Minuten einwirken lassen und dann abklopfen. Alte Flecken muß man vor dieser Prozedur mit einem Bügeleisen oder einem Föhn erwärmen, um das Fett zu verflüssigen. Man kann auch Löschpapier auf den Fleck legen und dann bei schwacher Hitze über das Papier bügeln, damit das Fett vom Löschpapier aufgenommen wird. Das Booklookerforum hält von alledem nichts und empfiehlt stattdessen die Auflösung durch Alkohol, Salmiak oder Toluol. Ich selbst versaue mir meine Bücher lieber nicht zusätzlich mit schmuddeligen Pulver-Fettmischungen, kippe auch nicht so gerne Alkohol nutzlos in sie hinein und empfehle, störende Flecken einfach mit einer Schere herauszuschneiden und beim nächsten Lesen die fehlenden Buchstaben und Wörter nach eigenem Geschmack und Vorstellungsvermögen zu ergänzen. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern noch ein schönes Wochenende.

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