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Körbchen C. Einwandfrei.

Szene aus dem Romanversuch "Potemkinsche Hunde"

„Rumpelstilzchen? Der Filou im Kamelhaarmantel? Sie meinen Rumpelstilzchen? Ja, der hat hier gewohnt.“ Als uns eines Morgens Frau Handwerk unseren Kaffee in der großen Porzellankanne mit dem Tröpfchenfänger brachte, „heiß und fettig, die Herren“, dazu zwei Mettbrötchen mit Zwiebeln und Knoblauch für Volker und drei für mich, Mett, Käse und Hagebuttenmarmelade, hatten wir es gewagt, sie auf das Objekt unserer Begierde anzusprechen. „Hier.“ Sie berührte mich mit der Rechten sanft, fast streichelnd, am Oberarm, mit der Linken drückte sie die Türklinke hinunter: „In Ihrem Zimmer.“ Das Bett war noch nicht gemacht, benutzte Papiertaschentücher und Dutzende unserer vollgekritzelten Zettelchen auf dem Flokati davor. „Da hat er immer gelegen, ohne seinen schicken Mantel und ohne Hut, aber sonst angezogen. Und mit Schuhen. Mit Schuhen. Das arme Laken.“ Mit ihrer beringten Hand fegte sie ein Stäubchen vom Fußende. „Regungslos auf dem Rücken und hat immerzu an die Decke gestarrt.“ Sie war wieder aus der Tür und stand einen Schritt vor Volker. „Den ganzen Tag nur so dagelegen. Und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Durch nichts, sage ich Ihnen.“ Jetzt war sie fast auf Tuchfühlung mit Volker. „Mein bestes Stück habe ich mir sogar angezogen, damit habe ich meinen lieben mann auch noch in seinen letzten Jahren hochgekriegt, als er schon so krank war. Sie reckte Volker ihren Oberkörper entgegen, zog mit beiden Händen ihre Kittelschürze in Brusthöhe auseinander, daß ein Knopf absprang und den Blick auf einen spitzendurchwirkten schwarzen BH freigab. „Schauen sie selbst, das kann sich doch noch sehen lassen trotz meiner fünfzig Jahre.“ Sie faßte unter ihre Brüste, hob sie zweimal kurz hoch, ließ sie wippen und drehte sich dabei zu mir. Körbchen C. Einwandfrei. „Das kann alles Ihnen gehören, meine Herren, als Nachtisch zum Frühstück, wenn Sie wollen. Gegen einen kleinen Aufpreis natürlich.“ Volker wollte etwas entgegnen, sie aber packte uns an unseren Ärmeln, zog uns weiter an sich heran, mich links, Volker rechts: „Ich weiß natürlich genau, sie sind beide frisch und glücklich verheiratet, Ihre Frauen sind jünger und schöner und klüger als ich, logisch, aber …“ Und mit diesem Aber zog sie mich so dicht an sich heran, daß ich ihre Brüste spüren konnte: „… aber, wenn ich die Taschentücher auf dem Flokati sehe, können Sie eine kleine Abwechslung ganz gut vertragen.“ Sie flüsterte im Verschwörerton, als könne Volker das nicht hören: „Ich verrate auch nichts. Niemandem.“ Spöttisch lauter: „Aah. Ich sehe, bei Ihnen regt sich zumindest etwas. Da ist noch Hoffnung für mich.“ Krächzig lachend: „Bei diesem Rumpelstilzchen tat sich nicht. Dabei habe ich nicht immer diese Kittelschürze angehabt, manchmal bin ich auch mit meiner durchsichtigen Bluse zu ihm hinein. Rein gar nichts. Nicht die kleinste Reaktion. Verstehen Sie das?“ Sie blickte von einem zum anderen. Als wir nicht antworteten, irritiert: „Dabei hätte er noch nicht einmal bezahlen müssen, im Gegentum zu Ihnen. Soviel war er mir wert. Hach!“ Für eine Sekunde schloß sie verträumt ihre Augen. „Ich solle ihn nicht belästigen, verlangte er nur einmal und sah mich dabei so scharf an. Sonst bekäme ich noch Post, die würde mir gar nicht gefallen. So sonderbar.“ Sie wollte die Kittelschürze wieder schließen und suchte das Linoleum nach dem abgesprungenen Knopf ab: „Als ich dann wieder die durchsichtige Bluse anhatte, und dieses Mal gar nichts darunter, da ist er wie angestochen aufgesprungen, ich kündige, hat er mich angeschrien, seinen Mantel vom Haken genommen, und weg war er, weg, weg.“ Und noch einmal: „Weg.“ Sie stieß die Luft aus der Nase aus. „Und seitdem wohnt er da in diesem halben Puff.“ Und im Hinausgehen: „Was hat diese Gisela, was ich nicht habe?“