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Alltagsschnipsel # 71 - # 80

1. März 1961, 15:40 Uhr, Stöckse: Horst M. (19) und Heide B. (17) pflanzen an der Stelle, an der sie sich im Sommer zuvor zum ersten Mal geliebt haben, eine Buche: In 60 Jahren fällen wir die und haben genug Holz für unsere Särge. 2. März 1964, 12 Uhr, Dreye: Weil seine Brotdose leer ist und er vergessen hat, sein Sparschwein zu plündern, beendet Jürgen U. (14) seinen Ausreißversuch nach vier Stunden auf dem Fahrrad und macht sich reumütig auf den Rückweg. 3. März 1970, 13 Uhr, Nienburg: »Das Lied, das verbotene Lied«, bettelt die Sechserrunde am großen Tisch, »ist doch außer uns niemand da.« Wirt Ricco P. legt persönlich ‹Laila› von Bruno Majcherek auf den Plattenteller: »Küsse mich und quäle mich, nur eine Nacht erwähle mich…« 4. März 1981, 20:30 Uhr, Estorf, Gasthaus Keseberg: Heinz L. (31) kippt den halben Liter in handgestoppten drei Sekunden. »Weltrekord«, stellt Cord-Friedrich W. (28) anerkennend fest und ordert die nächste Runde. 5. März 1973, 19:50 Uhr, Hannover Kornstraße: »Schmalzstullen, Soleier und Bier«, doziert Raimund P. (19) an der Theke. »stärken Leib, Bewußtsein und Gemüt und geben uns Kraft für die Revolution. Hängt alles zusammen.« 6. März 1965, 19:30 Uhr, Landesbergen: »Mit Böxen ohne Bügelfalten to'n Danz? Dat geiht goar nich', min Jong!« Wilhelm V.(45) versteht die Zeit nicht mehr. 7. März 1958, 15:30 Uhr, Leeseringen: Brrr! Brrr!! Brrr!!! Albert L. (40) vermißt bei seinem neuen Trecker die Zügel. 8. März 1991, 14:30 Uhr, Uchte: Waschmaschine, Waschmaschine, warum reden die in einem fort von Waschmaschinen, fragt sich Lothar W. (41), als die Männer seines Sprachkurses in der letzten Pause vor der Tür zusammenstehen und palavern, weil heute Weltfrauentag ist? 9. März 2001, 18:30 Uhr, Nienburg/Weser: Nur einmal im Leben reich sein, sinniert Rainer K. (32), eine halbe Stunde würde reichen; aber die Annahmestelle hat schon geschlossen; wieder nix, wie immer. 10. März 1986, 12 Uhr, Leeseringen: Richard S. (36) folgt den Stiefelspuren auf der Betonstraße. Zwei, eine große und eine kleine führen hin, die kleine wieder zurück. Am Ende sitzt der alte J. auf einem Klappstuhl, eine Angel ohne Wurm in seinen Händen, und starrt in die Weser.

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