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Orakel

Ein gewisser Thomas Gsella aus Aschaffenburg fragt:
Wie viele Unterstützerunterschriften für die Bundestagswahlen werden die Aktivisten der Partei Die PARTEI in Göttingen und Niedersachsen zusammenbekommen?
Unterschriftensammler der PARTEI mit dem Fragesteller im Apex
Unterschriftensammler der PARTEI mit dem Fragesteller an einem Freitagabend im Februar eine Minute vor der Frage im Apex
WikipeteR antwortet: Was hat die Menschheit nicht schon alles angestellt, um einen Blick in die Zukunft werfen zu können? Im alten China hat man Tierknochen ins Feuer gehalten und mit Schafgarbenstengeln gewedelt, die Hellenen haben junge unschuldige Frauen unter Drogen gesetzt und deren wirre Reden zu deuten versucht, die Römer haben den Vogelflug beobachtet oder die herausgerissenen Lebern von Opfertieren begrabbelt, die Kelten steinerne Phalli in den Himmel recken lassen und von dort Antwort erhofft, in Indien und auf den Philippinen hat man bemalte Eier auf Holzplatten geworfen, die Germanen hatten es auch mit den Eiern oder sie haben mit Runen gewürfelt. Wiederum aus China kommt der Brauch, mystische Zeichen auf Papierblätter zu malen und diese für etliche Glücksspiele wie auch für Wahrsagerei zu benutzen, eine Mode, die dann über Ägypten und Byzanz ihren Weg ins christliche Abendland genommen und sich in Windeseile als Tarock, Tarot, später auch Schafkopf, Skat, Poker und Mau Mau verbreitet hat. Ach, ja. Fast hätte ich die Horoskope in der Aufzählung vergessen. Die Sumerer, denen wir auch die Erfindung des Bieres, der Pizza und der auf Tontäfelchen geritzten Kurzbotschaften (Tweets) verdanken, sind wohl zuerst darauf gekommen, aus dem mathematisch vorhersagbaren Lauf der Gestirne auch die Zukunft vorherzusagen. Von Mesopotamien aus hat diese geheime Kunst über alle geographischen, religiösen und sonstigen Grenzen hinweg die gesamte Welt überschwemmt, betreibt eigene Fernsehsender und ist sogar in der FAZ, in der Bildzeitung und in der Bäckerblume zu finden. Mein alter Nachbar drei Häuser weiter im beschaulichen Nienburg an der Weser hat diese Wissenschaft noch verfeinert, unter Zuhilfenahme eines selbst fabrizierten Computerprogramms die sorgfältig erstellten Horoskope mit den Visionen aus seiner Kristallkugel kombiniert und so hochpräzise Vorhersagen getroffen. Er war mir aber zu teuer, weswegen ich das nie ausprobiert habe.
Spökenkiekerei. Allens nur Spökenkiekerei.
Das sagte Rixen Louis zu solchem Hokuspokus. Der mußte es wissen. Der war in seinen jungen Jahren ein flotter Tänzer, in seinen mittleren der Geliebte der Dorfärztin und spuckte mir, als ich ihn in seinen späten Jahren auf dem Altenteil besuchte, um ihn im Auftrag eines Meinungsforschungsinstituts für sechs Mark fünfzig pro Interview zu befragen, die Priemsoße ungeniert auf meine frisch geputzten Schuhspitzen. Womit wir endlich bei der Demoskopie sind, dem Instrument, mit dessen Hilfe ich die Frage Gsellas doch noch beantworten kann. „Demoskopie ist ein scharfes Schwert“, sang Roger Whittaker 1984. Und hat Recht damit. Denn die Demoskopen besitzen tiefe Kenntnisse über die Zusammensetzung des Volkskörpers, können trefflich mit den Instrumenten der Statistik jonglieren und mittels Hoch-, Wahrscheinlichkeits- und Unwahrscheinlichkeitsrechnungen vom Einzelnen auf das Ganze und wieder zurück schließen. Mit ihrer atemberaubenden Zahlenakrobatik ist es den Meinungsforschungsinstituten bisher nicht nur gelungen, alle Bundestagswahlen, sondern auch noch das Ergebnis des Brexit-Referendums und der US-Präsidentenwahl bis auf zwei Nachkommastellen präzise vorherzusagen. Ich brauche nur die Zahl der bisher gesammelten Unterschriften und kann dann bequem hochrechnen. Bis gestern gab es 149 von 200 notwendigen Unterschriften für die Direktkandidatur Dr. Christian Prachars (ledig, praktisch, gut, mit der Lizenz zum Führen) und 1490 von 2000 notwendigen Unterschriften für die sehr guten PARTEI-Frauen an der Spitze der Landesliste. Dieser unvermutete Gleichklang der Zahlen muß etwas bedeuten. Ich analysiere sie also zunächst unter Zuhilfenahme der kabbalistischen Zahlenmystik.
1 = „Die Eins entspricht der Einheit mit Martin Sonneborn.“ 4 = „Die Vier entspricht den vier Himmelsrichtungen.“ 9 = „Die Neun entspricht der höchsten Schwingung, die es geben kann.“ 0 = „Die Null ist die Vollendung.
Schon der erste Blick stimmt den Propheten sonntäglich heiter. Wenn ich jetzt noch alle Daten und Erkenntnisse, die Stasi, Verfassungsschutz und NSA je über Göttingen und Niedersachsen gesammelt haben und sammeln werden, mit den Zahlen der bisher gesammelten Unterstützungsunterschriften zusammen in eine Excel-Tabelle packe und nacheinander 42 verschiedene statistische Berechnungen durchlaufen lasse, komme ich zum unfehlbaren Endergebnis, nach dem pfeilgrad 298 + x UU für Dr. Christian Prachar und 2980 + x UU für die Landesliste zu erwarten sind, wobei „x“ jeden beliebigen ganzzahligen positiven oder negativen Wert annehmen kann. Ich hoffe, die Frage der Woche ist damit im Sinne Thomas Gsellas sowie vollständig und richtig beantwortet, und wünsche sowohl dem Fragesteller wie auch allen Leserinnen jeglichen Geschlechts ein vergnügliches Restwochenende.