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Dummheit und Intelligenz

Frau Kusanagi @FrauHasenherz fragt:
"Was siegt in Wirklichkeit: Dummheit oder Intelligenz?"
WikipeteR antwortet: Der Zellbiologe Gerald Crabtree von der Stanford University stellte nach der Auswertung aktueller Studien, die sich mit den genetischen Grundlagen der menschlichen Intelligenz befaßt haben, fest, daß die menschliche Intelligenz seit rund 120 bis 150 Generationen schrittweise abnehme. Der einzigartige Verstand des Menschen basiere auf vielen unterschiedlichen Erbanlagen, die stark zu genetischen Mutationen neigten, wobei schon einzelne Gen-Veränderungen die Intelligenzleistungen des Menschen deutlich schwächten. In Urzeiten mußte man sein Gehirn tagtäglich effektiv nutzen, um zu überleben. Intelligente Jagdstrategien kleinerer Lebensgemeinschaften sicherten die Basis. Nur die Klügsten kamen durch. Die Entwicklung der Landwirtschaft gestattete den Menschen, seßhaft zu werden und in größeren Gruppen zusammenzuleben, die auch schwächere Individuen unterstützten. Wichtiger als die Intelligenz war nun laut Crabtree für den Einzelnen die Eigenschaft, sich vor Krankheiten zu schützen, die in größeren Gruppen häufiger auftreten. Schwächere Individuen konnten fortan besser von der Gemeinschaft mitgetragen werden und überlebten ebenfalls. Das habe zu einer Abnahme der durchschnittlichen Intelligenz geführt. Für Jäger und Sammler, so Crabtree, waren Fehler schnell tödlich. Unsere Nicht-Vorfahren starben demnach meist, "weil sie eine Situation falsch einschätzten oder weil ihnen das intuitive Verständnis für bestimmte Sachverhalte abging - wie etwa die Aerodynamik eines Speers -, während sie ein gefährliches Tier jagten". Nur die Intelligentesten schafften es, sich fortzupflanzen; Mutationen, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen, wurden nicht vererbt, sondern verschwanden mit ihrem erfolglosen Träger. Leiste sich dagegen heute ein Wall-Street-Banker ein falsches Urteil, so bekomme er einen dennoch dicken Bonus und sei ein attraktiver Partner. Der Intelligenzforscher James Robert Flynn behauptet das genaue Gegenteil. Anhand von Testergebnissen aus 14 Industrienationen zeigte er auf, daß der gemessene Intelligenzquotient stetig zunehme, und zwar bis in die 1990er Jahre hinein zwischen um 5 bis 25 Punkte pro Generation. Dieses Phänomen wurde nach ihm Flynn-Effekt genannt. Flynn 2008 in einem Interview mit der ZEIT:
"Die Entwicklung muß mit der industriellen Revolution Ende des 19. Jahrhunderts begonnen haben. Damals wurden überall Maschinen angeschafft. Wer damit arbeitete, dem fiel es leichter, das Prinzip Ursache und Wirkung zu begreifen. So begann die wissenschaftliche Denkweise."
Der Flynn-Effekt sei auf die Verbesserung der Umweltbedingungen zurückzuführen, Bildung, Ernährung, Gesundheitsversorgung, Massenmedien, aber auch auf Bevölkerungsdurchmischung durch Urbanisierung und erhöhte Mobilität. Aber gleichgültig, ob eher Crabtree oder eher Flynn richtig liegt, ob Intelligenz eher auf genotypische oder auf phänotypische Faktoren zurückzuführen ist, aktuell scheint nach beiden Ansätzen doch die Dummheit auf dem Vormarsch zu sein. Neuere Tests in Norwegen, Dänemark und Australien zeigen, daß der Flynn-Effekt wieder rückläufig ist. In Dänemark hatte der IQ Ende der 1990er Jahre seinen Höhepunkt erreicht und ist wieder auf das Niveau von 1991 gesunken. Das rapide Bevölkerungswachstum in den wenig entwickelten Weltregionen, das die Bildung einschränkt, und steigende mentale Inaktivität durch mediale Berieselung in den Wohlstandsregionen führe dazu, daß der durchschnittliche globale IQ von 91,5 im Jahre 1950 auf unter 80 noch in diesem Jahrhundert absinken werden. Da ist es dann nicht mehr weit bis zu einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten der Menschheit von unter 70. Die Unterschreitung dieser Grenze führte bis ins 20. Jahrhundert zur psychiatrischen Diagnose "Schwachsinn". In der Psychiatrie ist dieser diskriminierende Begriff inzwischen abgeschafft, im § 20 des Strafgesetzbuchs finden wir ihn trotzdem noch zur Kennzeichnung eines Zustands, in dem der Delinquent nicht mehr für seine Taten verantwortlich ist. Wir sausen also, wenn nichts unternommen wird, diese Entwicklung aufzuhalten, mit Riesenschritten auf eine Welt zu, in der die Menschheit nicht mehr für ihre Taten verantwortlich ist. Pegida, AfD und Figuren wie Johnson, Erdogan und Trump als tatsächlich gewählte Politiker sind nur ein Vorgeschmack.

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Kommentare

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Hannelore Peine am :

Schöner Text. Aber meine eigentliche Frage an das Ergebnis wäre : warum soll Intelligenz immer nur Gutes bewirken. Intelligenz und Bösartigkeit schließen sich nicht aus. In bestimmten Fällen korrelieren sie sogar miteinander. Eine zweite Frage wäre : wie einheitlich sind die Intelligenzmessungen? Ich weiß, dass es unterschiedliche Testmodelle gibt, die auch zu differenten Ergebnissen führen. Zudem bekommt jeder halbwegs 'intelligente' Forscher das Ergebnis für seine Studie, das er zuvor angepeilt hat. Alles keine Kritik, nur Anregungen

fflepp am :

Eine gute Antwort auf die Frage von @FrauHasenherz. Die letzten zwei Sätze möchte ich betont dick unterstreichen… IQ-Tests messen die Anpassung an die moderne Welt und nicht die Intelligenz. Verschafft sich ein 'Kluger' Vorteile, indem er die eigene Überlegenheit zum Nachteil des anderen ausnutzt, handelt er (moralisch) falsch, dumm und bösartig. Der Dumme wiederum (z.B. der homo perfida faschistoidiensis) erhebt sich gerne über die 'Klugheit' anderer mit der Dummheit eigenen Mitteln. Das Dumme daran ist das Dumme darin. Ein Mathematiker (bestehen diese Tests meist mit Bravour) wird ein plötzlich auftretendes alltägliches Problem nicht mit Hilfe eines solchen Tests lösen können. Da schon einfache Ereignisse komplex sind, wird er nicht, fällt ein Organist aus, die Orgel spielen können, kommt ein Räuber, ihm die Brieftasche intelligent verweigern können. Mir sind einige Menschen bekannt, die äußerst (auch gemessen) intelligent, 'im Leben' aber meist nicht 'sehr weit' gekommen sind, weil ihnen genau das fehlt, was ein Intelligenztest nie und nimmer messen kann. [Alexander Luria, ein russischer Psychologe konfrontierte in den 1930er Jahren Analphabeten in abgelegenen Regionen der UdSSR mit Aufgaben, wie sie ähnlich in IQ-Tests vorkommen. In einem Fall gab er zwei Grundannahmen vor, die sein Gegenüber logisch verknüpfen sollte: Alle Bären seien dort weiß, wo es immer schneit, und auf der nordrussischen Insel Nowaja Semlja schneie es immer. Die Antwort auf die Frage, welche Farbe die Bären dort also hätten, fiel pragmatisch aus: „Ich habe bislang nur schwarze Bären gesehen und kann nichts über Dinge sagen, die ich nicht gesehen habe.“ Als der Psychologe nachhakte, räumte der Befragte lediglich ein: „Wenn mir ein 60 oder 80 Jahre alter Mann sagen würde, er habe dort einen weißen Bären gesehen, dann könnte man ihm glauben."] aus einem Artikel "Was ist Intelligenz?" /GEOkompakt

Peter "Scharfrichter' Walther am :

Die von Hannelore und fflepp in ihren Kommentaren angesprochenen Aspekte werden ausführlich in einem Interview behandelt, das die ZEIT 2008 mit dem in der Kolumne erwähnten Intelligenzforscher James Robert Flynn geführt hat. Ein Auszug: *ZEIT* *Wissen:* Halten Sie sich für intelligent? *Flynn:* In der Welt, in der ich groß wurde, konnte ich bestimmte Aufgaben schneller und besser lösen als meine Altersgenossen. Insofern war ich wohl intelligenter. Intelligenz ist aber relativ. Nehmen Sie Robinson Crusoe auf seiner Insel. Als er allein war, wurde ihm schnell bewusst, was Gedächtnis bedeutet, denn er vergaß Dinge. Und er wusste, was Lernen bedeutet, denn er eignete sich bestimmte Fertigkeiten an. Doch erst als Freitag auf die Insel kam und alles schneller erlernte als er selbst, begriff Crusoe, dass Freitag intelligenter war. *ZEIT* *Wissen:* Obwohl er nie einen IQ-Test gemacht hat. *Flynn:* Freitag konnte einfach schneller Probleme lösen und stellte sich in vielen Dingen geschickter an. Beide Männer hatten ungefähr dieselben Voraussetzungen. Daher ist offensichtlich, dass Freitag intelligenter war. Das komplette Interview ist hier http://www.zeit.de/zeit-wissen/2008/02/Flynn-Interview/komplettansicht zu finden.

Hans Mentz am :

Das Thema fordert wirklich zum Austausch heraus, allerdings steht zu befürchten: nichts Gutes wird dabei herauskommen. Die sogenannte "Intelligenzforschung" (s.l.) krankt an mehreren großen, und meiner Ansicht nach unüberwindbaren Problemen. Das ganze ist im Kern ein Thema für die Philosophie. Kurz zu Crabtree und Flynn: die Argumentation krankt an einem leider recht häufigen Problem: jemand lehnt sich aufgrund seiner Daten mit einer Meinung aus dem Fenster, hat dabei aber einige grundlegende Dinge mißverstanden. Ähnliches kann ich leider Menschen wie U. Kutschera und A. Meyer diagnostizieren. Es gilt die Gelbe-Steine-Reklame: zu gesellschaftlichen Themen - und dazu gehört Intelligenz vielleicht - sollten sie besser mal Menschen fragen, die sich damit auskennen. (Und zuhören lernen.) @BobOHara und @GrrlScientist haben das ganze übrigens sehr schön erklärt - als Linus-Pauling-Effect: https://www.theguardian.com/science/grrlscientist/2012/nov/14/1

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