Wannen
Silke Schmid @BernerSenenhund aus Stuttgart fragt:
„Woher kommt die Bezeichnung Wanne für Polizeiwagen?“WikipeteR antwortet:
„Das ist ne Wanne, da mußt du sofort den Mittelfinger zeigen und Steine schmeißen, so schnell und soviel du kannst.“Diesen Ratschlag für das Überleben im Großstadtdschungel bekam mein Gewährsmann Klaus R. Anfang der 1980er Jahre an seinem ersten Tag in Kreuzberg, als zum ersten Mal in seinem Leben eines dieser Polizeifahrzeuge an ihm vorbeirauschte. Zehn Tage später war 1. Mai, Großkampftag in Kreuzberg. Klaus R. hockte mit einem Kumpel auf einem Dach, drehte sich eine Tüte, um bei dem Schlachtgetümmel unter ihm seinen inneren Frieden zu bewahren, und dachte an nichts Böses, als plötzlich ein vermummter Typ mit einer zwei Meter langen massiven Eisenstange von Leitungsrohrdicke auf dem Dach auftauchte, auf die Frage, was er damit wolle, „Bullen plattmachen“ knurrte und die Stange wie einen Speer auf eine unten vorbeifahrende Wanne schleuderte. Der Speer durchbohrte das Fahrzeug von oben bis unten und blieb erst im Straßenbelag stecken. Getroffen und verletzt wurde niemand.
„Ja, Angst habe er. […] Wenn es los geht, wenn er durch die Gitter in die aggressiven Gesichter blickt, wenn die Leute draußen schreien: ›Scheiß' Bullen!‹ Wenn es so unglaublich laut wird im Wagen, weil die Pflastersteine nur so auf das Blech hageln, so laut, daß man sich anbrüllen muß, um sich zu verständigen. Ganz natürlich sei das mit der Angst. […] Man kann es nachvollziehen, wenn man drin sitzt, in der legendären Wanne, dem in zahllosen Straßenkämpfen erprobten Mannschaftswagen der Berliner Polizei. Zwei Bänke an jeder Seite, mit grauem, abgewetztem Kunststoff überzogen, darüber ein Gepäcknetz, wie man es aus Bus und Bahn kennt, für Helm und Knüppel, die großen Schutzschilder klemmen unter Gummiseilen unter dem Dach. Das wird eng für zehn bis zwölf Männer und Frauen in 15 Kilo schwerer Schutzmontur.“ Polizeioberkommissar Andreas T. 2005 in einem Bericht des Spiegel über das Ende der „Berliner Wannen“Die Rede ist in beiden Fällen von Mercedes-Benz-Transportern der Baureihe T2. Die ersten dieser Fahrzeuge wurden von der Berliner Polizei 1972 angeschafft. Bis dahin wurden die Beamten noch auf offenen Lastwagen zu Großeinsätzen gekarrt. Die eigneten sich natürlich viel weniger als die geschlossenen Wannen die Aggressionen anzuheizen, indem man, wie oft genug belegt, die Einsatzkräfte stundenlang sinnlos durch die Gegend karrt und mit Fake-Nachrichten über die angebliche Brutalität der Demonstranten heißmacht. Die Transporter der Baureihe T2, auch DüDos genannt, wurden von 1967 bis 1986 von Mercedes in Düsseldorf als Feuerwehr- und Polizeifahrzeug, Rettungswagen oder Paket-Zustellfahrzeug gebaut. Die Polizei Berlin schaffte von 1972 bis 1996 250 Stück davon an, anfangs für 30.000 (L 408), zum Schluß für 150.000 Mark (611 D). Seit 2005 werden sie nach und nach ausrangiert.
„Berühmtheit erlangten die DüDos unter dem Spitznamen Berliner Wanne als (meist arg verbeultes) Einsatzfahrzeug der Berliner Polizei, die ihre Beamten damit zu Demonstrationen und Krawallen beförderte. Als nahezu unverwüstlich erweisen sich die Transporter aus Düsseldorf damit nicht nur im Einzelfall.“ (www.mercedes-seite.de) „Die Berliner Wanne hat ausgedient. […] Eine Ikone der bundesdeutschen Demonstrationskultur verschwindet von den Straßen der Hauptstadt.“ (www.spiegel.de/panorama/ vom 4. März 2005)Ich weiß nicht, wer diesen Begriff „Berliner Wanne“ erfunden hat und wer ihn hier von wem abgeschrieben hat, der Spiegel von Mercedes oder Mercedes vom Spiegel, in der gesamten linken Literatur und in der gesamten an „Demonstrationen und Krawallen“ mit diesen Fahrzeugen konfrontierten Szene findet er sich nicht, da sagt man schlicht „Wanne“, wo in dieser Republik man sich auch befindet und um welchen Fahrzeugtyp es sich auch handelt, wenn mehr als sechs Beamte darin Platz finden. Transportfahrzeuge mit kleinerer Besatzung nennt man „Dose“. „Berliner Wanne“ hat nur deshalb einen Hauch von Berechtigung, weil sich von Berlin als „Zentrum der bundesdeutschen Demonstrationskultur“ aus der Spitzname „Wanne“ für die Einsatzfahrzeuge der Polizei in die gesamte Republik verbreitet hat. Wer die Bezeichnung „Wanne“ für die Mannschaftstransportfahrzeuge der Polizei zuerst erdacht und ausgesprochen hat und auf welchem Geistesblitz das beruht, läßt sich nicht mehr feststellen. Auf keinen Fall hat das etwas damit zu tun, daß sie vom Steinhagel zerbeult waren, wie Spiegel und Mercedes gern suggerieren möchten. Als ob das Zerbeultsein ein Charakteristikum der Wanne wäre. Die Zinkwanne, die in meiner Kindheit am Samstagabend in die Waschküche gestellt wurde, damit wir darin gebadet werden konnten, war auch nicht zerbeult und hieß trotzdem zu Fug und Recht Wanne.
„das wort wurde mit der sache von den Römern übernommen [...] es ist ein eirundes, nach unten flach gewölbtes geflecht aus ruten, binsen, stroh oder auch dünnen holzspänen ...“Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm macht die Wannenform eine Wanne zur Wanne. Und so wird auch ein Schuh daraus. Denn die Mannschaftstransportwagen der Berliner Polizei waren nicht die ersten Fahrzeuge, die als „Wanne“ bezeichnet wurden. Das Erstgeburtsrecht gehört hier dem schwimmfähigen VW-Kübelwagen Typ 166, von dem von 1942 bis 1944 14.000 Stück für die Wehrmacht hergestellt wurden. Und auch der wurde gewiß nicht wegen gelegentlicher Beulen so genannt. So schwingt in der Verspottung als „Wanne“ auch das Martialisch-Miltärische mit, das diese Fahrzeuge bei ihren Einsätzen ausstrahlen. Der „Bullenzeichner“ Gerhard Seyfried merkt dazu an:
„Sie sind die letzte Erscheinungsform des guten alten Überfallkommandos … das sichtbare Symbol für die Staatsgewalt ... das sah immer gut aus, wenn die in ewigen Kolonnen zu ihren Einsätzen gefahren sind. Das hatte sowas Militärisches.“Am nächsten Samstag (1. April, Jahrestag der Urteilsverkündigung im Hochverratsprozeß gegen Hitler, Ludendorff und Konsorten) wollen die Hardcore-Nazis vom „Freundeskreis/Thügida“ wieder in Göttingen aufmarschieren. Bis jetzt sind fünf Gegenveranstaltungen mit über 1.500 erwarteten Teilnehmern angemeldet. Unter anderem wird die Partei Die PARTEI eine „Mauer der Liebe“ quer über die Berliner Straße errichten. Die Polizei wird wieder mit dem Einsatz einer Armada von „Wannen“ versuchen, die Faschisten vom „Freundeskreis“ vor dem gerechten Volkszorn zu bewahren. Ohne diesen Schutz wären die Nazis schnell weg vom Fenster und würden es nimmermehr wagen, hier aufzutreten. Nur noch siebenmal Schlafen. Bis dahin wünsche ich allen Leserinnen jeglichen Geschlechts ein schönes Wochenende und eine ruhige Woche.
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wallnuss am :