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DIE TOILETTENFILME - ein Beitrag zum Welttoilettentag

Eines Nachmittags vor vierundvierzig Jahren stand plötzlich ein nagelneues schneeweißes Toilettenbecken mitten in unserer Küche und ein halbes Dutzend junger Menschen darum herum. Unsere Küche war wunderbar groß und diente uns damals besonders an den Wochenenden als eine Art Jugendzentrum und Ausgangspunkt unserer politischen und sonstigen Unternehmungen. Schaumi und Otto hatten das Toilettenbecken an einer Baustelle entdeckt und in einem günstigen Augenblick mitgehen lassen. Sie wußten auch schon, was wir damit anstellen sollten, eine Serie von Toilettenfilmen drehen nämlich: das Toilettenbecken als Waschschüssel, als Bowlengefäß, als Blumenvase, als Suppenterrine beim Heiligen Abendmahl, als Schale, in der das olympische Feuer entzündet wurde, es waren ja gerade olympische Spiele in München, insgesamt neun Episoden fielen uns ein. Mit irgendwelchen Planungen oder detaillierten Festlegungen hielten wir uns damals nie lange auf, sondern schritten lieber sofort zur Tat. Ich packte meine Kamera ein, eine veraltete Eumig Normal-8 mit einem hellblauen lederartigen Kunstoffbezug, die man noch aufziehen mußte, damit sich der eingelegte Film drehte. Die hatte ich für weniger als fünfzig Mark gebraucht bei einem Fotohändler in Bückeburg gekauft. Auf dem Weg in die Feldmark besorgten wir, was wir sonst noch für die Außenaufnahmen brauchten: Rucksackriemen, eine Fackel und eine Flasche Brennspiritus nebst drei Komparsen, die uns zufällig über den Weg liefen. Für die Wandertoilettenepisode schnallte sich Schaumi das Becken wie einen Rucksack auf den Rücken, lief ungefähr zwanzig Meter im Wanderschritt über einen Acker, hielt an, schnallte das Toilettenbecken ab, zog die Hosen herunter, setzte sich eine Weile auf das Becken, stand wieder auf, zog die Hosen wieder hoch, schnallte sich das Becken wieder um und lief weiter. Wirklich zu scheißen wagte er nicht, weil wir Toilettenpapier und Wasser zum Spülen vergessen hatten. Weiter ging es in dem kleinen Wäldchen auf der anderen Seite der Bahn. Manni I. mußte zuerst in seinem Fußballtrikot mit der brennenden Fackel in der Hand auf einen Trampelpfad einen kleinen Hügel hinunterlaufen, links und rechts flankiert von unseren Komparsen als begeistertes Publikum, in mehreren Einstellungen immer dieselben Komparsen, aber an anderen Stellen. Schließlich schafften wir das Toilettenbecken auf den Gipfel des Hügels und schütteten eine ordentliche Ladung Brennspiritus hinein. Manni mußte jetzt, wieder von den Komparsen flankiert, den Weg hochlaufen, und wurde dabei von mir von hinten gefilmt. Oben angekommen, stellte er sich rechts neben die Toilette und senkte die Fackel langsam hinein. Die Flamme loderte wirklich schön empor und war hinterher auch gut auf dem entwickelten Film zu sehen. Leider hielt das Porzellanbecken die Hitzeentwicklung nicht aus und zersprang. Das Toilettenfilmprojekt lag in großen Scherben und wir hatten noch das Glück, keinen Waldbrand entfacht zu haben. Schade. Es war eine so schöne Idee.

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