Der Herrgott beim Enzianwirt am Wilseder Berg
Am Vormittag des 3. Juni 1998, dem 19. Todestag Arno Schmidts, gleichzeitag Tag des ICE-Unglücks von Eschede, kehrt Gott in Gestalt Arno Schmidts in den Heidegasthof "Zum Blauen Enzian" ein und zwingt den Anwesenden - der Wirt (im Jägermeister-T-Shirt), ein arbeitsloser Soziologe (im Netzunterhemd), vier angetrunkene Sargträger (in Schwarz) - ein Gespräch auf. In der Unterhaltung geht es um Hermann Löns, Arno Schmidt und Herrn Natürlich, um das Gemächt des Toten, um Beischlaf und Mißbrauch vor der Theke, auf der Kegelbahn und auf dem Billardtisch, um Valerie Solanas, Abe Sada und die Zeitschrift "Schwanz ab", um Douglas Adams, Fu Xi, G. W. Leibniz, Ada & Linda Lovelace und ein in Bargfeld verstecktes Manuskript mit der Weltformel, um den Tod Arno Schmidts und um die von ihm gegründete geheime Bruderschaft der Maggitrinker, die sich bis heute einmal jährlich in Eschede trifft, um Arno Schmidt und Julius Maggi zu ehren. Gott behauptet, er sei allwissend, "selbstverständlich Atheist", trage für nichts auf der Welt Verantwortung, kenne zudem sämtliche schriftlichen Zeugnisse der Menschheit aus Vergangenheit und Zukunft, und beginnt eine endlose Aufzählung all dessen, was er gelesen hat und noch lesen wird, in deren Verlauf seine Zuhörer einschlafen. Am Ende stößt die Bruderschaft mit Maggi auf ihre beiden Idole an, Gott verwandelt sich aus Zorn über die eingeschlafenen Zuhörer in einen Klaus Kinski, der tobend das Weite sucht, und in Eschede entgleist der ICE.
Leseprobe:
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„Jetzt weiß ich es“, Enzianhorst war außer sich vor Begeisterung über die plötzliche Entdeckung in seinem Erinnerungsschatz, „jetzt weiß ich es, weshalb er so gut Bescheid weiß über das alles. Er war mal hier. Ich erinnere mich. Bevor wir hier umgebaut haben. Auch noch vor dem Brand. Der war mal hier. Sogar mehrmals. Mit dem Tandem. Er vorne, die Frau hinten. Die sind hier eingekehrt. Und er hat so ein Notizbuch dabei gehabt und immerzu alles mögliche aufgeschrieben. Das ist er. Der Heidedichter!“
Sofort fing der Stammtisch zu singen an: „Hermann Löns, die Heide brennt! Hermann Löns, die Heide brennt! Hermann Löns, die Heide brennt! Hermann Löns, die Heide brennt!“ Es wollte nicht enden. „Eine Runde Korn für alle, auch für Schorse, keine Widerrede, Schorse, für den Heidedichter, der uns so schön verarscht hat, und für dich auch, Horst. Schreib es auf meinen Deckel.“
„Ach Bernd, das sind jetzt schon 134 Mark, wenn ich nur einmal eine Woche diesen Umsatz hätte.“
„Keine Müdigkeit vorgeschützt! Die 752. Strophe: Hermann Löns, die Heide brennt! Und die Nummer 1274: Hermann Löns, die Heide brennt! Und Prost!“
„Jetzt ist aber Schluß“, donnerte Schorse Kriemelmeyer, „damit macht man keine Witze! Oder habt ihr es nicht erlebt? Die Feuerwalze? Die Toten? Die schwarzen Baumleichen hinterher? Ich erinnere mich noch gut. Im Sommer 72 war‘s. Das war schlimm genug. Da muß man jetzt nicht auch noch das blöde Lied singen.“
„Und außerdem“, fuhr er fort, als alle wieder schwiegen, „war das mit Hermann Löns vor dem ersten Krieg. Der ist schon über achtzig Jahre tot. Mit dem Tandem ist er auch nicht gefahren, dafür war er sich zu fein, mit dem Zug aus Hannover und dann hat er sich herumkutschieren lassen oder ist in seinem weißen Anzug über die Heide geritten, der Dandy.“ „Weißer Anzug? Wirklich? ‘n Jäger war das doch, ‘n Waidmann.“ Bernd Thieme mochte das Gehörte nicht glauben: „Aber du bist ja der Fachmann für Bücher und so.“ „Doch, doch. In der Jägerkluft hat er sich erst später gezeigt, als er den großen Naturschützer gespielt hat. Grün? Auch, aber Loden, nicht Leder. Ein Säufer und Hurenbock war er, der ist nur hier her gekommen, um sich auszunüchtern und zu erholen von seinen anstrengenden Weibergeschichten. Ein Mann wie ich braucht jede sieben Wochen eine andere Geliebte. Das waren seine eigenen Worte. Muß man sich mal vorstellen. Euer heißgeliebter Hermann Löns. Heimatdichter, Junge, Junge. Heimat? Vielleicht. Eher wie so ein Tourist, der die ‚Ursprünglichkeit‘ liebt, weil er nicht immer hier leben muß, oder wie so einer von den Großstadtaussteigern, die sich an den Rand ins Wendland verkrochen haben und sich heute mitten in Deutschland wiederfinden. Aber Dichter? Gute Güte. Banalkram, der sich gut singen läßt ... Blut-und-Boden-Provinzwichse ... Heidekitsch hoch drei ... sag nicht nur ich, das sagen Leute, die was davon verstehen, aber so welche kennt ihr ja nicht, dafür müßtet ihr ja mal raus aus dem Dorf; Hitler und die Nazis, ja, die haben ihn angebetet, heldischer Geist der Kriegsfreiwilligen von 1914, haha, zum Totlachen, wenn‘s keine Propaganda fürs Totschießen im nächsten Krieg gewesen wäre. Zum Kotzen. Und ihr dackelt ihm heute noch treu hinterher, eurem Hermann Löns. Da muß einer nur schlecht genug sein, treudeutsch daherreden und mehr saufen als ihr, da liebt ihr ihn und baut ihm Denkmäler.“ Gott mochte Kriemelmeyers Ausführungen nicht widersprechen und die anderen schwiegen, weil sie es nicht konnten. Sie fühlten sich nur völlig zu Unrecht um ihr Heimatidol gebracht.
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Natürlich biete ich die Erzählung auch einigen Verlagen an. Aber das kann dauern und vielleicht interessiert sich niemand so dafür, daß er das Verlegerrisiko eingehen mag. Deshalb gibt es wie bei den "Schrägen Gestalten" wieder eine reine Privat=Edition (DIN A5, 48 Seiten, klammergeheftet, 9,00 Euro plus Porto) in einer Auflage von pfeilgrad 2 x 42 = 84 Exemplaren. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Mail an wikipeter (AT) irrationale.net genügt als Bestellung.
Leider komplett ausverkauft!
Eine zweite Auflage der Erzählung wird es auf keinen Fall mehr geben, wahrscheinlich aber die Erweiterung zu einem Kurzroman mit leicht veränderten Schluß.
In der Romanfassung kämen dann auch alle schmutzigen Geheimnisse ans Tageslicht, die den Toten, die Sargträger, den Wirt und Schorse Kriemelmeyer aneinanderketten; weiter kämen der ‹Würger vom Lichtenmoor›, der Bahnhof von Uelzen, Charles Bukowski und ein geheimes Dichtertreffen in einem Bordell ins Spile; nicht zuletzt erführen die Leserinnen und Leser entschieden mehr über die 42 Dimensionen des Universums, Weltformel, Binärsystem und Dualseelen sowie endlich Aufklärung darüber, welche Rolle der Typ mit Brille und grüner Lederjacke, der nicht Gott genannt werden will, und das Informationserhaltungsgesetz in diesem Klumpatsch wirklich spielen.
Bis jetzt existiert der Roman in meiner Zettelwirtschaft und in etwas ausführlicheren Notizen in meinem schwarzen Moleskine. Der Tortur der Niederschrift unterwerfe ich mich aber nur, wenn entweder eine Veröffentlichung gesichert ist oder mich jemand in den drei Monaten, die ich dafür angesetzt habe, so unterstützt, daß ich mich außer ums schreibenum (fast) nichts mehr kümmern muß.
Kontakt bitte nur über Mail: herrgott(AT)irrationale(DOT)net.
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Peter 'Scharfrichter' Walther am :
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Sandra am :
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Hans Mentz, Humorkritiker a.D. am :
Peter 'Scharfrichter' Walther am :
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