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Alltagsschnipsel # 81 - # 90

11. März 1964, 17:40 Uhr, Warmsen: »Das kannst du mir nicht verbieten …« Schon wieder Bernd Spier im Radio. Gertrud T. (32) dreht mit Blick auf ihren Mann Gerhard (35) den Loewe Opta voll auf. Der zieht den Stecker. 12. März 1990, 15:30 Uhr, Schäferhof: Die Woche fängt ja gut an, grummelt Horst K. (46) vor sich hin, als er die Bundesstraße überquert, schon fünf Trabis, die unsere gute Luft verstänkern. 13. März 1964, 9:50 Uhr, Nienburg/Weser: Freitag, der 13., als hätte ich's geahnt. Studienassessor M. (27) läuft puterrot an; dritte Stunde, der Hosenstall wohl die ganze Zeit schon offen, und niemand hat was gesagt. 14. März 1971, 20:45 Uhr, Pennigsehl: Männer, denkt Karin T. (19), als sie eine Dreiviertelstunde vor dem Treffpunkt Linderkamp auf ihre Zufallsbekanntschaft vom Wochenende zuvor gewartet hat und nun allein hineingeht. 15. März 1996, 17:15 Uhr, Hallenbad Nienburg/Weser: Matthias S. (32) verirrt sich in die Frauenumkleide und findet nicht allein wieder heraus. 16. März 1972, 17:45 Uhr, Meinkingsburg: »Wenn eent rut is, mutt dat neegste all weer rin. Prost!« Schorse S. (33) begießt mit Arbeitskollegen die Geburt seines sechsten Kindes. 17. März 1975, 21:15 Uhr, Göttingen: »Wer Dieter nicht kennt, hat Göttingen verpennt.« Der BWL-Student Dieter B. (21) begrüßt das Publikum im Nörgelbuff. 18. März 1965, 9:45 Uhr, Nienbur/Weser: Eine Mark für ein Blatt aus einem FKK-Heft? Jürgen U. (15) findet das günstig und zahlt. 19. März 2001, 21:30 Uhr, Göttingen: »Komm, wir beide ziehen jetzt los und machen Scherbendemo. Wie in alten Zeiten.« Der Vorschlag von Ralf B. (43) trifft bei seinem Gegenüber (51) auf wenig Gegenliebe. »Laß uns lieber einen durchziehen. Das entspannt mehr.« 20. März 1974, 18 Uhr, Hannover: Dora W. (20) dreht sich peinlich berührt um und mag von den beiden Gestalten, die mit eingepflanzten Ripperzähnen feixend vor dem Fenster der Buchhandlung stehen, in der sie ausgebildet wird, nicht mehr abgeholt werden.

Verhaltensforschung

In Krisenzeiten ziehen die Graugänse gemeinsam los und kaufen Tirolerhüte, um ihren Wiedererkennungswert zu erhöhen. Bei Menschen, so Professor Lorenz, habe er ein solches Verhalten noch nicht beobachten können.

Alltagsschnipsel # 71 - # 80

1. März 1961, 15:40 Uhr, Stöckse: Horst M. (19) und Heide B. (17) pflanzen an der Stelle, an der sie sich im Sommer zuvor zum ersten Mal geliebt haben, eine Buche: In 60 Jahren fällen wir die und haben genug Holz für unsere Särge. 2. März 1964, 12 Uhr, Dreye: Weil seine Brotdose leer ist und er vergessen hat, sein Sparschwein zu plündern, beendet Jürgen U. (14) seinen Ausreißversuch nach vier Stunden auf dem Fahrrad und macht sich reumütig auf den Rückweg. 3. März 1970, 13 Uhr, Nienburg: »Das Lied, das verbotene Lied«, bettelt die Sechserrunde am großen Tisch, »ist doch außer uns niemand da.« Wirt Ricco P. legt persönlich ‹Laila› von Bruno Majcherek auf den Plattenteller: »Küsse mich und quäle mich, nur eine Nacht erwähle mich…« 4. März 1981, 20:30 Uhr, Estorf, Gasthaus Keseberg: Heinz L. (31) kippt den halben Liter in handgestoppten drei Sekunden. »Weltrekord«, stellt Cord-Friedrich W. (28) anerkennend fest und ordert die nächste Runde. 5. März 1973, 19:50 Uhr, Hannover Kornstraße: »Schmalzstullen, Soleier und Bier«, doziert Raimund P. (19) an der Theke. »stärken Leib, Bewußtsein und Gemüt und geben uns Kraft für die Revolution. Hängt alles zusammen.« 6. März 1965, 19:30 Uhr, Landesbergen: »Mit Böxen ohne Bügelfalten to'n Danz? Dat geiht goar nich', min Jong!« Wilhelm V.(45) versteht die Zeit nicht mehr. 7. März 1958, 15:30 Uhr, Leeseringen: Brrr! Brrr!! Brrr!!! Albert L. (40) vermißt bei seinem neuen Trecker die Zügel. 8. März 1991, 14:30 Uhr, Uchte: Waschmaschine, Waschmaschine, warum reden die in einem fort von Waschmaschinen, fragt sich Lothar W. (41), als die Männer seines Sprachkurses in der letzten Pause vor der Tür zusammenstehen und palavern, weil heute Weltfrauentag ist? 9. März 2001, 18:30 Uhr, Nienburg/Weser: Nur einmal im Leben reich sein, sinniert Rainer K. (32), eine halbe Stunde würde reichen; aber die Annahmestelle hat schon geschlossen; wieder nix, wie immer. 10. März 1986, 12 Uhr, Leeseringen: Richard S. (36) folgt den Stiefelspuren auf der Betonstraße. Zwei, eine große und eine kleine führen hin, die kleine wieder zurück. Am Ende sitzt der alte J. auf einem Klappstuhl, eine Angel ohne Wurm in seinen Händen, und starrt in die Weser.

Alltagsschnipsel # 61 - # 70

19. Februar 1956, 14:30 Uhr, Leeseringen: Der Melker Hans W. überquert mit seinen beiden Söhnen die Weser zu Fuß. 20. Februar 1964, 9:45 Uhr, Nienburg/Weser: Der Schüler Robert K. (14) gibt mit einem scharfen Revolver von innen durch die geschlossene Toilettentür drei Schüsse ab, die niemanden treffen. Als Vorsichtsmaßnahme läßt die Schulleitung alle Toilettentüren aushängen. 21. Februar 1961, 13 Uhr, Erichshagen: Studienrat Rudolph B. (40, Kriegsteilnehmer) droht mit Scheidung. Seine Ehefrau Lieselotte (34) hat das Gulasch Hawaii ohne Sahnehäubchen serviert. 22. Februar 1972, 11:30 Uhr, Kreuzberg: Der Sinologiestudent Rolf K. (21) wacht auf, wundert sich, daß die Revolution immer noch nicht ausgebrochen ist und dreht sich wieder um. 23. Februar 2016, 7:45 Uhr, Krebeck: Der Rentner Justus K. (68) rasiert sich mit einer abgebrochenen Ecke der Rasierklingenverpackung aus Hartplastik und beschließt, seine Entdeckung in einem Ratgeber für sparsames Leben unterzubringen. 24. Februar 1981, 23:30 Uhr, Estorf: Wäre schön, wenn sie hier das Bordell erlaubt hätten, denkt Hans S. (38), als er auf dem Nachhauseweg von der »Post« Licht hinter den Fenstern der alten Molkerei sieht, dann könnte ich mit dem angebrochenen Abend noch was anfangen. 25. Februar 1966, 21:20 Uhr, Estorf: Als kurz vor dem »Goldenen Schuß« der Fernseher nur noch Schnee zeigt, hämmert Karl E. (32) vergeblich mit der Faust auf den Apparat ein, übersieht aber zu deren Glück die feixenden Gestalten mit dem Kabelschneider draußen vor dem Fenster. 26. Februar 1961, 21:15 Uhr, Leeseringen: Was soll ich nur mal werden, überlegt Lothar W. (11), als er nach Dickie Dick Dickens im Bett liegt, Ingenieur, Millionär oder Gangster in Chicago, hat alles seine Vor- und Nachteile, kann sich nicht entscheiden und schläft darüber ein. 27. Februar 1979, 20:10 Uhr, Göttingen: »Für mich die 1, bitte, und ein Bier«, entscheidet sich die Studentin Sabine S. (23), als der Kea von Claus-Peter C. (30) zur Begrüßung »Liebe, Arbeit, Wissen« krächzt. 28. Februar 1982, 20:15 Uhr, Bücken: Elfriede (69) und Heinrich (72) M. wundern sich sehr über die Einrichtung und die gesalzenen Preise, als sie einmal etwas für ihre Gesundheit tun wollen, auf den Tatort verzichten und den neueröffneten Saunaclub besuchen.