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Alltagsschnipsel # 71 - # 80

1. März 1961, 15:40 Uhr, Stöckse: Horst M. (19) und Heide B. (17) pflanzen an der Stelle, an der sie sich im Sommer zuvor zum ersten Mal geliebt haben, eine Buche: In 60 Jahren fällen wir die und haben genug Holz für unsere Särge. 2. März 1964, 12 Uhr, Dreye: Weil seine Brotdose leer ist und er vergessen hat, sein Sparschwein zu plündern, beendet Jürgen U. (14) seinen Ausreißversuch nach vier Stunden auf dem Fahrrad und macht sich reumütig auf den Rückweg. 3. März 1970, 13 Uhr, Nienburg: »Das Lied, das verbotene Lied«, bettelt die Sechserrunde am großen Tisch, »ist doch außer uns niemand da.« Wirt Ricco P. legt persönlich ‹Laila› von Bruno Majcherek auf den Plattenteller: »Küsse mich und quäle mich, nur eine Nacht erwähle mich…« 4. März 1981, 20:30 Uhr, Estorf, Gasthaus Keseberg: Heinz L. (31) kippt den halben Liter in handgestoppten drei Sekunden. »Weltrekord«, stellt Cord-Friedrich W. (28) anerkennend fest und ordert die nächste Runde. 5. März 1973, 19:50 Uhr, Hannover Kornstraße: »Schmalzstullen, Soleier und Bier«, doziert Raimund P. (19) an der Theke. »stärken Leib, Bewußtsein und Gemüt und geben uns Kraft für die Revolution. Hängt alles zusammen.« 6. März 1965, 19:30 Uhr, Landesbergen: »Mit Böxen ohne Bügelfalten to'n Danz? Dat geiht goar nich', min Jong!« Wilhelm V.(45) versteht die Zeit nicht mehr. 7. März 1958, 15:30 Uhr, Leeseringen: Brrr! Brrr!! Brrr!!! Albert L. (40) vermißt bei seinem neuen Trecker die Zügel. 8. März 1991, 14:30 Uhr, Uchte: Waschmaschine, Waschmaschine, warum reden die in einem fort von Waschmaschinen, fragt sich Lothar W. (41), als die Männer seines Sprachkurses in der letzten Pause vor der Tür zusammenstehen und palavern, weil heute Weltfrauentag ist? 9. März 2001, 18:30 Uhr, Nienburg/Weser: Nur einmal im Leben reich sein, sinniert Rainer K. (32), eine halbe Stunde würde reichen; aber die Annahmestelle hat schon geschlossen; wieder nix, wie immer. 10. März 1986, 12 Uhr, Leeseringen: Richard S. (36) folgt den Stiefelspuren auf der Betonstraße. Zwei, eine große und eine kleine führen hin, die kleine wieder zurück. Am Ende sitzt der alte J. auf einem Klappstuhl, eine Angel ohne Wurm in seinen Händen, und starrt in die Weser.

Alltagsschnipsel # 61 - # 70

19. Februar 1956, 14:30 Uhr, Leeseringen: Der Melker Hans W. überquert mit seinen beiden Söhnen die Weser zu Fuß. 20. Februar 1964, 9:45 Uhr, Nienburg/Weser: Der Schüler Robert K. (14) gibt mit einem scharfen Revolver von innen durch die geschlossene Toilettentür drei Schüsse ab, die niemanden treffen. Als Vorsichtsmaßnahme läßt die Schulleitung alle Toilettentüren aushängen. 21. Februar 1961, 13 Uhr, Erichshagen: Studienrat Rudolph B. (40, Kriegsteilnehmer) droht mit Scheidung. Seine Ehefrau Lieselotte (34) hat das Gulasch Hawaii ohne Sahnehäubchen serviert. 22. Februar 1972, 11:30 Uhr, Kreuzberg: Der Sinologiestudent Rolf K. (21) wacht auf, wundert sich, daß die Revolution immer noch nicht ausgebrochen ist und dreht sich wieder um. 23. Februar 2016, 7:45 Uhr, Krebeck: Der Rentner Justus K. (68) rasiert sich mit einer abgebrochenen Ecke der Rasierklingenverpackung aus Hartplastik und beschließt, seine Entdeckung in einem Ratgeber für sparsames Leben unterzubringen. 24. Februar 1981, 23:30 Uhr, Estorf: Wäre schön, wenn sie hier das Bordell erlaubt hätten, denkt Hans S. (38), als er auf dem Nachhauseweg von der »Post« Licht hinter den Fenstern der alten Molkerei sieht, dann könnte ich mit dem angebrochenen Abend noch was anfangen. 25. Februar 1966, 21:20 Uhr, Estorf: Als kurz vor dem »Goldenen Schuß« der Fernseher nur noch Schnee zeigt, hämmert Karl E. (32) vergeblich mit der Faust auf den Apparat ein, übersieht aber zu deren Glück die feixenden Gestalten mit dem Kabelschneider draußen vor dem Fenster. 26. Februar 1961, 21:15 Uhr, Leeseringen: Was soll ich nur mal werden, überlegt Lothar W. (11), als er nach Dickie Dick Dickens im Bett liegt, Ingenieur, Millionär oder Gangster in Chicago, hat alles seine Vor- und Nachteile, kann sich nicht entscheiden und schläft darüber ein. 27. Februar 1979, 20:10 Uhr, Göttingen: »Für mich die 1, bitte, und ein Bier«, entscheidet sich die Studentin Sabine S. (23), als der Kea von Claus-Peter C. (30) zur Begrüßung »Liebe, Arbeit, Wissen« krächzt. 28. Februar 1982, 20:15 Uhr, Bücken: Elfriede (69) und Heinrich (72) M. wundern sich sehr über die Einrichtung und die gesalzenen Preise, als sie einmal etwas für ihre Gesundheit tun wollen, auf den Tatort verzichten und den neueröffneten Saunaclub besuchen.

Alltagsschnipsel # 51 - # 60

9. Februar 1977, 10 Uhr, Göttingen: Staatsanwalt Hubert B. geht mit offenem Hosenstall durch die Obere Masch und beschließt, jeden anzuklagen, der über ihn lacht.
Alltagsschnipsel # 51
Alltagsschnipsel # 51
10. Februar 1974, 4 Uhr morgens. Wunstorf: 7° C, bedeckt, der Bahnhof menschenleer, der Fahrkartenschalter geschlossen, der Getränkeautomat defekt, noch eineinhalb Stunden bis zum nächsten Zug, den Lagerarbeiter Lothar W. (24) streift der Hauch der Ewigkeit. 11. Februar 1974, 11:15 Uhr, Hannover-Steintor: Der Theologiestudent Lothar E. studiert die Kaffeeflecken auf dem Resopaltisch vor sich und kommt zu dem Schluß, daß Gott darin auf keinen Fall zu finden ist. 12. Februar 2008, 9:45 Uhr, Göttingen: Ach, gäbe es doch ein Raumspray Stinkender Furz oder so, das diese Leute abschreckt, seufzt Thomas G. (48), als sich der Gerichtsvollzieher von ihm verabschiedet. Samstag, 13. Februar 1965, 16:14 Uhr, Stadion an der Hamburger Straße Braunschweig: Der Schlosserlehrling Hubert N. (16) verflucht Hannover 96 und besonders Wernr Gräber, der gerade das Ausgleichstor geschossen hat. 14. Februar 1996, 19:30 Uhr, Visselhövede: Als Daniela T. (22) nach Hause kommt, hat ihr Verlobter Markus O. (26) schon zwei Packungen Branntweinpralinen geleert und liegt von Geschenkpapierfetzen umgeben schnarchend auf dem Sofa. 15. Februar 1973, 10 Uhr, Schessinghausen: Lisbeth Brandt (51) fertigt 23 Polaroid-Porträts ihres Ehemanns Louis (55). Auf allen ist nach der Entwicklung nur ein Krokodil mit Hitlerbärtchen zu sehen. Unbestechliche Kamera. 16. Februar 2001. 12:15 Uhr, Göttingen: Als die Nachbarin (39) ihn ausnahmsweise freundlich begrüßt und sogar ein Lächeln schenkt, glaubt Oliver G. (28) in eine Zeitfalte getreten zu sein. Es ist aber nur die Tochter (22). 17. Februar 1971, 12:45 Uhr, Nagold: Spiegeleier mit Spinat und Kartoffelbrei, was für ein Fraß, denkt der Gefreite Manfred K. (19), wirft seinen Teller an die Wand, steht auf und holt sich eine Currywurst aus der Kantine. 18. Februar 1969, 21 Uhr, Nienburg: Die Schlüssel passen. Manfred K., Rolf B. & Peter W. gelingt es, bis ins Lehrerzimmer vorzudringen, aber das Fach von Studienrat M. (Latein) ist leer. Klassenarbeit für Montag: Fehlanzeige; einzige Beute: ein Stapel Spiritcarbonmatritzen.

Alltagsschnipsel # 41 - # 50

30. Januar 1974, 18 Uhr, Hannover: Auf dem Weg zum Treffpunkt sieht der Versicherungskaufmann Holger K., wie seine Verabredung mit seinem Doppelgänger im Café Güse verschwindet, und tröstet sich mit sieben Bommerlundern. 31. Januar 1972, 9:20 Uhr, Jägerkaserne Bückeburg: Als Vergeltung für die Schließung der Arrestzellen »aus hygienischen Gründen« durch den Stabsarzt S. ordnet der Kommandeur Haarappell für alle Soldaten des San=Bereichs an und führt ihn persönlich durch. 1. Februar 1971, 19:30 Uhr, Achum: Wie alle Augenzeugen und er selbst bestätigen, stolpert der Sanitätsgefreite M., stürzt durch ein geschlossenes Fenster im ersten Stock und verstaucht sich einen Fuß. Die Scheibe bleibt unversehrt. 2. Februar 2011, 11 Uhr, Göttingen: Fasziniert betrachtet der arbeitslose Sozialwissenschaftler Marcel K. die eilenden Menschen schräg unter ihm auf der Weender Straße, traut sich aber nicht, das Fenster zu öffnen und die Welt zu sich hineinzulassen. 3. Februar 1978, 15 Uhr, Göttingen: Als der Jurastudent Thomas R. (22) aus dem Porsche steigt, sich von der Fahrerin Heidrun R. (42) mit einem angedeuteten Kuß verabschiedet und aus den Augenwinkeln den Mann mit der Kamera erspäht, weiß er, daß er einen Fehler gemacht hat. 4. Februar 1969, 19:20 Uhr, Winzlar: Als die Verkäuferin Ulrike B. (19) den Heiratsantrag zurückweist, den er während der Bezaubernden Jeannie (51. Folge: Toni, bleib bei deinen Leisten) stellt, ist der Schlosser Bernd J. (22) schwer empört: Das Kind muß doch einen Vater haben! 5. Februar 2011, 8:30 Uhr, Bruchhausen: Die Dösköppe sind selbst schuld, wenn sie nicht mehr bei mir leben wollen, denkt der Buchhalter Marco D. (36), als er acht von den zehn Brötchen, die er gerade gekauft hat, in den Papierkorb an der Bushaltestelle entsorgt. 6. Februar 1974, 10:25 Uhr, Hannover: »Warte, warte, nur ein Weilchen …«, summt der Physikstaudent Cord H. (23) vor sich hin, als er durch die Rote Reihe in der Calenberger Neustadt schlendert und an der Nr. 4 vorbeikommt. 7. Februar 2015, 11 Uhr, Göttingen Leineberg: Stefan T. (41, Jogginghose, schwarzkapuzig, aus zwei Flaschen beidhändig trinkend) schwankt auf die Straße, die Frau im weißen Golf bremst sanft, winkt ihn vorbei; er wedelt mit dem Öttinger in der Linken: »Hallo, Gräfin!« 8. Februar 1976, 1:00 Uhr, Trou Göttingen: Nebenan tanzen die Hintern zu Lady Bumb, an der Theke haut Ute C. (26, in Schwarz) jeden Mann über 30 um einen Drink an, denkt aber nicht daran, auch nur bei einem einzigen das Versprechen einzulösen, ihn mit nach Hause zu nehmen.

Alltagsschnipsel # 31 - # 40

20. Januar 2002, 11 Uhr, Schneverdingen: Traurig betrachtet Küster Klaus-Dieter M. die Handvoll ihm noch wenig vertrauten Münzen im Klingelbeutel. 21. Januar 1997, 9:10 Uhr, Asendorf: Als Christel L. (62) mit einem Einkaufsnetz in der Hand aus der Tür kommt, weiß Torsten M. (32), daß er zwölf Stunden und zwanzig Reval vor dem falschen Haus auf das Objekt seiner Begierde gelauert hat. 22. Januar 1976, 10:50 Uhr, Göttingen: Der Lehramtsstudent Ingolf W. schreibt mit einem dicken Filzstift »Werner H. Weltmeister der Ausgebeuteten und Unterdrückten« auf eine Toilettentür im vierten Stock des Blauen Turms und malt einen Penis dazu. 23. Januar 2006, 8:25 Uhr, Ostrhauderfehn: Der Fliesenleger Dietmar Burhenne eilt die schier endlose Hauptstraße entlang und kommt beim Zählen seiner Schritte sowie der bis zum Ziel noch zu bewältigenden Laternenmasten ständig durcheinander. 24. Januar 2010, 11:25 Uhr, Holzminden: Als Daniel S. bemerkt, daß der Springerzug, den er gerade ausführen will, ihn ins Verderben führt, rührt er mit der Figur seinen Kaffee um und stellt sie – oh, hab mich vertan, doch nicht der Löffel – wieder auf ihren Ursprungsplatz zurück. 25. Januar 1981, 9:10 Uhr, Bollmanns Krankenhaus Nienburg/Weser: Der Hilfsarbeiter Udo S. beharrt auf seinem Recht auf sexuelle Zuwendung durch weibliches Pflegepersonal, wie es im ‹Krankenschwesternreport› dokumentiert sei. 26. Januar 2015, , 19:50 Uhr, Göttingen: Den Theologiestudenten Nico H. ergreift Panik und er fordert den Fahrer auf, sofort anzuhalten, als ihm dämmert, daß er im 42er Bus sitzt, aber weder Handtuch noch Bier noch Erdnüsse bei sich hat. 27. Januar 2016, 18 Uhr, Leeseringen: Klaus K. (69) verflucht den Zigarettenautomaten, der seinen Führerschein nicht anerkennen will, und denkt wehmütig 60 Jahre zurück: für 50 Pfennig bei Steinhauer eine kleine Schachtel Eckstein für sich und seine Freunde, ganz ohne Nachfrage. 28. Januar 1969. 21:45 Uhr, Dudensen: Als er den Totschläger, die schwere Kette und den Schlagring zu seinen Füßen entdeckt, findet Lothar E. (20) die Idee gar nicht mehr so gut, zu den beiden Rockertypen in den P 2,6 zu steigen. 29. Januar 2007, 9:20 Uhr, Göttingen: Sie könne nicht ewig so faul und lustig weiterleben, beschied der Arbeitsberater Gunnar H. die arbeitslose Germanistin Christine S., als sie die Maßnahme in der Brockensammlung ablehnt. Mit ihr zu tauschen, weist er entrüstet von sich.

Alltagsschnipsel # 21 - # 30

10. Januar 1973, 21:45 Uhr, Hannover: Der Medizinstudent Werner R. leiht während einer Zellensitzung dem Lagerarbeiter Peter W. hundert Mark, die er nie wiedersieht. 11. Januar 1969, 12:20 Uhr, Nienburg/Weser: Die Hausfrau Elfriede J. (52) hebt ein Ei auf, das unversehrt auf dem Gehsteig vor dem Café Perdoni liegt, auf dem Rückweg acht Minuten später ein zweites. 12. Januar 1972, 20:10 Uhr, Münchehagen: Gerd C. aus Holzwickede betritt das Kanbach in Gummistiefeln und wird für einen Bauern aus Neuenknick gehalten. 13. Januar 1976, 13:15 Uhr, Göttingen: Der Lehramtsstudent Norbert »Yeti« M. demonstriert in der Cafeteria im ZHG den Umwesenden, wie man mit Hilfe einer Stecknadel eine Selbstgedrehte bis auf den letzten Millimeter aufrauchen kann. 14. Januar 1974, 1:15 Uhr, Luthe: Unverzüglich seine Einheit zu verständigen ist die einzige Sorge des Obergefreiten Gernot K., als er nach einem Crash auf der A2 schwerverletzt aus seinem VW-Käfer geborgen und in den Krankenwagen geschoben wird. 15. Januar 1995, Nienburg/Weser: Der Psychotherapeut Reinhardt S. installiert, nachdem er seinen Klinkerbau im Herbst schon pechschwarz angestrichen hat, zwei 1000-Watt-Scheinwerfer, mit denen er das gegenüberliegende Haus von nun an Nacht für Nacht anstrahlt. 16. Januar 1971, Estorf, 23:10 Uhr: Anni V. und Uschi K. suchen während einer Party unter dem Wohnzimmerteppich des Gastgebers vergeblich nach ihrer verlorenen Unschuld. 17. Januar 1999, 11:55 Uhr, Stolzenau: Um den Liebhaber seiner Ehefrau zu vertreiben, platziert Waldemar S. eine Stecknadel mit der Spitze nach oben in den Beifahrersitz seines Opel. 18. Januar 2014, 11:05 Uhr, Bargteheide: Der Bibliothekar Klaus R. irrt durch die Stadt und sucht vergeblich nach dem Haus, in dem Arno Schmidt gelebt hat. 19. Januar 1979, 17:50 Uhr, Göttingen: Der Spanner Jürgen T. (26) steht am Wall und rubbelt sich einen ab, während er die Studentin Sabine S. (23) und ihre beiden Freunde an ihrem Schreibisch beobachtet, die wiederum ihn lachend begaffen.

Alltagsschnipsel # 11 - # 20

31. Dezember 1966, 23:59 Uhr, Estorf: Der Schüler Ernst-Albrecht B. zündet im Vorgarten einen selbstgebastelten Knallkörper und sprengt ein sechzig Zentimeter tiefes Loch in den Rasen. 1. Januar 1974, Brüninghorstedt: Die Arzthelferin Inge S. kommt um zwei Uhr morgens auf der Rückfahrt von einer Silvesterfeier im dichten Nebel von der Landstraße ab und landet ohne jeglichen Schaden in einem Wäldchen. Ihr Beifahrer ist leider zu betrunken. 2. Januar 1972, 22:45 Uhr, Münchehagen: Gastwirt Willi Kanbach (Münchehagener Hof, Kneipe mit Musik) zwingt DJ Stolle, die Caprifischer aufzulegen. 3. Januar 1990, 21:30 Uhr, Nienburg/Weser: Der Zerspanungsmechaniker Andreas S. und sein Deutscher Schäferhund nehmen in der Lehmwandlung die Spur des Spanners auf und hindern ihn am Ende daran, von einem Balkon im ersten Stock hinunterzuklettern. 4. Januar 1973, 17:12 Uhr, Hannover: Die Postangestellte Ingrid Grothe läßt in der Haushaltswarenabteilung des Kaufhauses Karstadt zwei Dutzend Topfkratzer in ihre Handtasche verschwinden. 5. Januar 1958, Leeseringen: Nach der Verkündigung der Lottozahlen in den Mittagsnachrichten verprügelte der Volksschullehrer Berthold M. (61) seine Frau, weil sie, um die Haushaltskasse zu schonen, den Lottoschein nicht abgegeben hatte. 6. Januar 2005: Der Bauchredner Mehmed Youssef geht mit einer Pappkrone auf dem Kopf und je einer Puppe links und rechts in Beuren im Eichsfeld von Tür zu Tür und bittet um milde Gaben, wird aber durch die Bank abgewiesen. 7. Januar 1981, Groß Varlingen: Horst T. kippt seinen Hühnern ein halbes Fläschchen Beta-Carotin, das er von seinem Arbeitsplatz hat mitgehen lassen, in die Tränke. »Ist doch Winter und keine Sonne.« Fünf Monate lang legen seine Hennen Eier mit tiefdunkelorange gefärbtem Dotter. 8. Januar 1968, Leeseringen: Um auch in den Genuß des neuartigen Farbfernsehens zu kommen, verkleidet Hans E. den Bildschirm seines Schwarz-Weiß-Geräts mit Buntpapier, tapeziert Wände und Decken mit Aluminiumfolie und schließt diese mit einigen Drähten an die Antennenbuchse an. 9. Januar 1972, 22:18 Uhr, Deutsch Evern: Brigitte R. und Werner S. singen während des Orgasmus den Refrain der Internationale.

Alltagsschnipsel # 1 - # 10

21. Dezember 1974 12 Uhr mittags in einer dunkel verräucherten Kneipe in der Groner Straße: Drei einsame Männer starren in ihre Binding-Gläser; ein langhaariger Eindringling im Afghanenmantel stört die Idylle. 22. Dezember 1973, 10 Uhr morgens: Rüdiger W. tobt im Nikolauskostüm wie ein Irrwisch durch ein Wäldchen zwischen Poggenhagen und Liethe, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen, hat aber seine Axt vergessen. 23. Dezember 1970, 9:58 Uhr: Um drei Hühnern das Leben zu retten, bremst der Schlosser Friedhelm K. seinen NSU TT in der Ortseinfahrt Warmsen auf 100 Stundenkilometer ab. 24. Dezember 1975, 17:35 Uhr, Langendamm: Oberfeldwebel Hubert T. (PzGrenBtl 32) fleht vergebens um Einlaß ins Eros-Center am Berg. 25. Dezember 1955, 19:55 Uhr, Estorf: »Heute hol ich mir'n Mann!« Ruth E. zu ihrer Freundinnen Gerlinde und Elfriede, bevor sie sich zum Weihnachtstanz im Sandkrug aufmacht. 26. Dezember 1967, 14 Uhr, Estorf: Damit die Dorfjugend seine Stammgäste nicht vertreibt, verbannt Rudi N. die Musikbox ins Clubzimmer. 27. Dezember 1970, 21:15 Uhr, Nienburg/Weser: Auf einer Wartebank vor dem Bahnhof sitzen drei Langhaarige auf Purple Haze und belächeln den Medizinstudenten Helmut L., der sich Sorgen um sein Physikum macht. 28. Dezember 1980, 17:45 Uhr, Schessinghausen: Junggeselle Werner Haake (49) vergnügt sich im Gasthaus Bahlmann volltrunken am Spielautomaten und randaliert, nachdem er den Gewinn aus der Goldenen Serie bis auf den letzten Groschen wieder verspielt hat. 29. Dezember 1978, 5:00 Uhr, Estorf: Der Kaufmännische Angestellte Karl B. klingelt Sturm und holt den Gastwirt Karl M. aus dem Bett. Der Kasten Bier unter seinem Bett ist leer. 30. Dezember 1980, 16:45 Uhr, Leeseringen: Der Lagerarbeiter Georg S. steigt nach dem Jahresendbesäufnis in der Betriebskantine aus Versehen zu Gerlinde K. von der Buchhaltung ins Auto.

R.I.P. Thomas Oppermann

Sonntag, 29. Juli 2001 spätabends. Ich komme aus Nienburg und steige in Hannover in den RE nach Göttingen um. Der Zug ist rappelvoll. Ein bunter Haufen: St.-Pauli-Fans auf dem Rückweg vom Heimspiel gegen Hertha (0:0), queere Leute, die von der Loveparade kommen, dazwischen ein paar Nazis aus der Blase von Thorsten Heise. Ich muß aufs Klo. Auf dem Weg kommen mir laut grölend drei Nazis entgegen, die Rechte zum Hitlergruß erhoben, die dazu auffordern, zurückzugrüßen. Ich beschließe, sie vollständig zu ignorieren, und gehe durch sie hindurch, als seien sie nicht vorhanden. Das gelingt nicht ganz. Ich touchiere einen von ihnen mit meiner rechten Schulter. Das Milchgesicht jammert, ich habe ihm zwei Zähne ausgeschlagen. Er blutet aber noch nicht einmal. Sie machen kehrt und laufen hinter mir her. Drei ihrer Kameraden schließen sich der Jagd an. Im Fahrradwagen geht es nicht mehr weiter. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Die Nazis bauen sich mir gegenüber und drohen, mich aus dem fahrenden Zug zu werfen. Ein kleiner Mann in einer schwarzen Jacke, die ein wenig an eine Uniform erinnert, wie sie von Sicherheitskräften getragen wird, steht auf und stellt sich zwischen mich und die Nazihorde; wie sich später herausstellt, der damalige niedersächsische Wissenschaftsminister Thomas Oppermann, der mit seiner Frau eine Fahrradtour unternommen hat. Die Nazis wirken jetzt eingeschüchtert und wagen keine Widerworte gegen ihn. Als auch die Schaffnerin dazukommt, trollen sie sich. Weil er dem Frieden nicht traut, benachrichtigt der Minister den in Göttingen hinter dem Bahnhof stationierten Bundesgrenzschutz, der dann auch mit einer ziemlich großen Truppe den Bahnsteig besetzt. Das ist aber eigentlich nicht mehr notwendig, weil die sechs Nazis in Northeim ausgestiegen sind und sich auch keiner ihrer Kameraden mehr zeigt. Heute morgen erfahre ich in den Nachrichten, daß Thomas Oppermann gestern im Alter von 66 Jahren gestorben ist. R.I.P.

Kurzroman

Der dürre Mann im Glitzeranzug stand reglos im Vorgarten. Die Uhr der Petrikirche schlug vier, fünf, sechs: keine Bewegung. Sieben: Beim letzten Schlag verlagerte der Alte sein Gewicht, trippelte nervös, knöpfte die Hose auf, pißte auf die Rabatte. Seine Schuhspitzen bekamen ein paar Tropfen ab. »Meine Rosen«, kreischte die Nachbarin. Ich zog die Vorhänge zu.

Erfolgsgeheimnis

Solange ihm sein altes Kindermädchen jeden Morgen ein liebevoll in Pergamentpapier eingewickeltes Leberwurstbrot mitgab, blieb dem Vorstandsvorsitzenden der geschäftliche Erfolg treu.

ZERPOCHEN! ab sofort teurer

Es ist soweit. Nur noch wenige Rest=Exemplare ‹ZERPOCHEN! Ein Abgesang‹ schlummern in einem kleinen Schuhkarton. Ich setze das Büchlein deshalb auf »rar« und erhöhe den Preis für den Postversand auf 18 Euro. Wer es bequem ins Haus geschickt bekommen möchte, überweist bitte per PayPal pfeilgrad diese 18 Euro an zerpochen(@)irrationale(.)net. Postanschrift nicht vergessen.
ZERBOCHEN! Cover vorne
ZERBOCHEN! Cover vorne
ZERBOCHEN! Cover hinten
ZERBOCHEN! Cover hinten

Jauchzet! Frohlocket!

Der Morgen rast wie ein Fuhrwerk im Hohlweg / Rosinen schwimmen weinend im Kaffee / Fürst Ernst verprügelt seinen Stiefelknecht / das Oberstübchen wird herausgeputzt / blankgescheuert der Gedanken Qual // jauchzet / frohlocket / zündet den Erdball an ! Der Mittag döst wie ein Kampfhund an der Kette / Fruchtfliegen tanzen lachend im Balsamico / Herr Karl verkauft dem Führer seine Erstgeburt / das Oberstübchen wird herausgeputzt / blankgescheuert der Gedanken Qual // jauchzet / frohlocket / zündet den Erdball an ! Der Abend schwebt wie ein Kaplan auf Löschpapier / noch ein Schlag Sahne auf den Toast Hawaii / Kartoffeln stoßen auf den Endsieg an / das Oberstübchen wird herausgeputzt / blankgescheuert der Gedanken Qual // jauchzet / frohlocket / zündet den Erdball an !

DADA dreiundzwanzig

Alles zu werden, strömt zu Hauf! Befreit euch gefälligst selbst! Werft eure Unterhosen weg und folgt uns auf Twitter!
DADA dreiundzwanzig Zum neunundneunzigsten Geburtstag Paul Celans präsentierte sich die Beta=Version der Truppe am Göttinger Nabel erstmals inoffiziell der Öffentlichkeit. http://hirtlitschka.de/art/dada/nabel-99-geburtstag-paul-celan/
DADA zum 99. Geburtstag Paul Celan
DADA zum 99. Geburtstag Paul Celan
DADA dreiundzwanzig Nun folgte im Rahmen der Juli=Veranstaltung der Offenen Lesebühne Göttingen die offizielle Premiere dieser Göttinger subcutanen Vereinigung für dada, Sprachkunst, Polit=Collagen & niedere Beweggründe. DADA dreiundzwanzig Aufgeführt wurde Peter Walthers Sprech=Miniatur »Etüde für 3 Stimmen & 1 Chor«. https://werkstatt.toebelhuepfer.de/index.php?/archives/79-Etuede-fuer-3-Stimmen-1-Chor-Version-II.html DADA dreiundzwanzig Das sind Chrisy, Uli & Peter
DADA 23 Offenen Lesebühne
DADA dreiundzwanzig auf der Offenen Lesebühne Göttingen
DADA dreiundzwanzig offizieller Twitter=Account: https://twitter.com/DADA__23 offizieller Fediverse=Account https://fimidi.com/@dada23 DADA dreiundzwanzig Die ‹Etüde für 3 Stimmen & 1 Chor› gibt es auch als Kartenset in Briefchen aus Kraftpapier verpackt für 3,50 Euro; nur über PayPal an zerpochen(@)irrationale(.)net; Postanschrift nicht vergessen, wenn die drei fuffzig nicht als Spende gedacht sind.
Etüde Kartenset
Etüde für 3 Stimmen & 1 Chor - Kartenset

Etüde für 3 Stimmen & 1 Chor (Version II)

A: Aus dem Sohn des Bauern wird ein Bauer. B; Aus der Tochter des Müllers wird eine Müllersfrau. C: Aus dem Sohn des Priesters wird ein Schweinehirt. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus der Gänsemagd wird eine Prinzessin. B; Aus dem Schweinehirten wird ein König. C: Aus dem Kind der beiden wird ein Priester. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus dem häßlichen Entlein wird ein Schwan. B; Aus dem Frosch wird ein Prinz. C: (aber nur, wenn er die häßliche Prinzessin küßt) Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus dem Aschenputtel wird eine Königin. B; Aus dem Bettler wird ein Großwesir. C: Aus der Klofrau wird eine Meinungsforscherin. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus dem Tellerwäscher wird ein Millionär. B; Aus der Serviererin wird ein Popstar. C: Aus dem Postkartenmaler wird ein Führer. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus dem Mörder wird ein Freiheitsheld. B; Aus dem Gangster wird ein Staatsmann. C: (aber nur, wenn die Maske fällt) Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus Goethe wird Botho Strauß. B; Aus Karl Marx wird Karl May. C: Aus Adorno wird Richard David Precht. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus Ernst Busch wird Bushido. B; Aus Hildegard Knef wird Helene Fischer. C: Aus den Sonics werden die Toten Hosen. Chor: AUS JEDEM WIRD ETWAS. A: Aus Revolutionären werden Aktivisten. B; Aus Stubenhockern werden Nerds. C: (aber nur, wenn sie Club-Mate trinken) Chor: UND WAS WIRD AUS EUCH? Chor: Alles zu werden, strömt zu Hauf! Chor: Befreit euch gefälligst selbst! Chor: Werft eure Unterhosen weg und folgt uns auf Twitter! Chor: HURRA!!!